Als die Presse das Alter entdeckte
von Hildegard Neufeld
Die gesellschaftliche Bedeutung der älteren Generation nimmt stetig zu. Das ist nicht allein ihrem steigenden Bevölkerungsanteil zuzuschreiben, sonderm vor allem auch dem zunehmenden Wandel des Alters, der inzwischen von der Presse wahrgenommen und berücksichtigt wird.
Presseberichte
Begriffe und Themen, wie Alter oder Altwerden hatten bis zum Beginn der 20.
Jahrhunderts noch keinen Eingang in die Presse gefunden. Wie Brigitte
Donicht-Fluck in ihrer Dissertation berichtet, gab es bei der New York Times
bis Mitte der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts noch keinen
Klassifikationsbegriff für Alter und Ältere Menschen.
Alter wurde erst medienreif, wenn es sich als ein herausragendes Ereignis präsentieren
ließ, wie zum Beispiel der hundertste Geburtstag.
Weitere Beispiele
Amerikas Wochenmagazine zeichneten ein düsteres Bild vom Alter oder ignorierten
das Thema Alter völlig. In Harper's Magazine war beispielsweise 1939 in einem
Beitrag zu lesen: „Alte Menschen sind unglücklich, weil sie alt sind“, denn
Alter sei heute „die schlimmste Tragik, die erschütterndste Erfahrung des
Lebens“. Die Saturday Evening Post hatte wohl ein eigenes Altersbild in ihre
Berichterstattung integriert und schrieb
in einer Ausgabe von 1927: „Alte Menschen sind nichts weiter als leere
menschliche Hüllen, verknöchert, ausgetrocknet und ausgeblichen“.
Es wird vermutet, dass das Alter weithin als eine Krankheit angesehen wurde,
die schließlich in Senilität und kindischem Gebaren münden musste. Alte
Menschen wurden häufig bemitleidet und nicht mehr als vollwertige Erwachsene
gesehen und behandelt.
Kritische Stimmen und Ratschläge
Fast gleichzeitig wurde an der Darstellung der alten Menschen in der Presse, aber auch an ihrer Einstellung zum Alter und ihrem Verhalten Kritik geübt, der auch eigene Ratschläge der Presse folgten. “Alte Menschen sollten nicht mit ihrem Schicksal hadern, sondern die Welt so nehmen, wie sie nun einmal ist“, schrieb zum Beispiel die Saturday Evening Post in einer Ausgabe von 1927 und fügte hinzu: „Dazu sei es jedoch notwendig, sich eine Aufgabe zu suchen, denn Nichtstun ist der sicherste Weg zur Unzufriedenheit im Alter“.
Ältere Menschen in der deutschen Presse
Untersuchungen zur Berichterstattung über das Alter, über ältere und alte
Menschen in der Presse wurden Veröffentlichungen des Deutschen Zentrum für
Altersfragen (DZA) zufolge, vor allem in
den USA, aber auch in Frankreich, der Schweiz sowie in der Bundesrepublik
Deutschland, einschließlich der ehemaligen DDR durchgeführt. Die Untersuchungen
bezogen sich auf unterschiedliche Zeiträume und Presseerzeugnisse und wurden etwa
ab der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts vorgenommen.
Einige dieser Untersuchungen, die in der deutschen Tagespresse durchgeführt
wurden und verschiedene zeitliche Perioden berücksichtigten, zeigten eine
Weiterentwicklung in der Presseberichterstattung über das Alter auf.
Bei diesen Vergleichen wird deutlich, heißt es in einer Kommentierung, dass ein
Anstieg altersbezogener Themen zu verzeichnen ist und die Alten in jüngster
Zeit eher positiv porträtiert werden.
Alter als Zeitungsthema
Eine umfassende Untersuchung über „Alter und Alte als Zeitungsthema“ wurde
1985/86 vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) durchgeführt. Diese
Untersuchung erfasste alle im Zeitraum vom 1.11.1985 bis 31.10.1986
erschienenen Tageszeitungen in der Bundesrepublik.
Das Ergebnis der Analyse: 3.794 Zeitungsartikel, die das Thema Alter und Alte
betrafen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass es bei nahezu 40 Prozent dieser
Beiträge um Heime für alte Menschen ging.
Die Berichterstattung über das Alter, über Altern und alte Menschen in der
Presse, zeigte sich nach dieser Untersuchung überwiegend als Berichterstattung
über Altenhilfe, während sich die
Berichte über das aktive Alter nur auf 16 Prozent beliefen.
Demgemäß gehören die Alten, die ins Blickfeld rücken, vornehmlich zur Klientel
der Altenhilfe: Betreuungsbedürftige, Kranke, Arme, Hilfe- oder Pflegeabhängige
eher als Aktive, Unabhängige, Gutsituierte, Gesunde, lautete die kritische
Kommentierung des Autors.
Zeitungsanalyse 1992/93
Senior-Studenten der Universität des 3. Lebensalters an der Johann Wolfgang
Goethe- Universität Frankfurt am Main erstellten 1992/93 in einem 3-semestrigen
Projekt eine Zeitungsanalyse, die sich auf fünf Tageszeitungen bezog.
Die Zeitungsanalyse beinhaltete eine Bestandsaufnahme aller im Laufe des
Untersuchungszeitraums erschienenen altersbezogenen Berichte und Meldungen.
Ausgewertet wurden insgesamt 5.693 Zeitungsartikel, die verschiedenen Themenbereichen zugeordnet wurden.
Die Zeitungsanalyse der Frankfurter Senior-Studenten zeigte, anders als das
etwa sieben Jahre zurückliegende Untersuchungsergebnis des KDA, nicht nur eine
deutliche Zunahme altersbezogener Themen in der Presse, sondern auch eine
stärkere Berücksichtigung des aktiven Alters mit insgesamt 56,2 Prozent (KDA =
16 Prozent). Allerdings, so wurde von der Projektgruppe angemerkt, orientierte
sich das aktive, das positive Altersbild in der Presse vornehmlich an den
prominenten Alten.
Zeitungsanalyse 1994/95
Schon zwei Jahre später startete eine Projektgruppe an der Universität des 3.
Lebensalters Frankfurt a.M., gemeinsam mit Hörern des Seniorenkollegs der
Technischen Universität Chemnitz-Zwickau, eine weitere Untersuchung, die sich
auf das gesamte, nun vereinigte Deutschland erstreckte. Ziel dieser Untersuchung war es vor allem
festzustellen, ob die Tagespresse ein realistisches Altersbild vermittelt, das
auch der Orientierung dienen kann oder in ihrer Berichterstattung eher den oft
so langlebigen Altersstereotypen Raum gibt.
In einem einjährigen Untersuchungszeitraum wurden insgesamt acht regionale
Tageszeitungen ausgewertet (sechs aus dem Frankfurter und zwei aus dem Chemnitzer
Raum) und 8.736 altersrelevante Zeitungsartikel analysiert.
Den beiden Projektgruppen in Frankfurt und Chemnitz bot sich bei ihrem
einjährigen Inspektionsgang durch die Tagespresse ihrer Region ein vielfältiges
Bild, das das Leben der älteren Menschen in
vielen Facetten widerspiegelte, aber auch einige Aspekte ausließ oder
überzeichnete.
Aus den Untersuchungsergebnissen
Dass das Alter nicht nur freudig und friedvoll und ohne Belastungen und
Verluste erlebt werden kann, das wissen aus eigenem Erleben die Alten und aus
dem Miterleben die Jungen. Dort, wo sich das Miterleben überwiegend über die
Medien vollzieht, dient das vermittelte Altersbild vor allem auch der
Orientierung.
Das Bild des älteren Menschen in der von den Projektgruppen untersuchten
Tagespresse wurde diesem Anspruch nur zum Teil gerecht. Zwar hatte die Presse
den Wandel von einem einst vorwiegend negativen Altersbild zu einer eher
realistischen Darstellung älterer Menschen vollzogen, eine Orientierung bot das
Bild der älteren Menschen in der untersuchten Tagespresse jedoch nicht, zumal
sie ein überwiegend männliches Altersbild vermittelte, das den demografischen
Verhältnissen dieser Altersgruppe, die einen Frauenüberschuss von 58 Prozent
aufwies, eindeutig widersprach.
Die Dominanz der Männer in der Tagespresse
Die überwiegende Zahl der von den Seniorstudenten inspizierten Presseberichte waren den Männern gewidmet.
Ihr Anteil lag um mehr als 50 Prozent über dem der Frauen. Besonders deutlich
wurde dies bei Berichten über das ehrenamtliche Engagement, in dem die Männer –
oft als Vorstände oder Vorsitzende – dominierten, während die Frauen --
überwiegend im sozialen Einsatz engagiert – von der Presse schlicht übersehen wurden.
Aber auch die manchmal recht unterschiedliche Beschreibung von Männern und
Frauen in Berichten anderer
Themenbereiche erregten Kritik, wie beispielsweise Porträts
der Jubilare anlässlich von Ehejubiläen (1994):
o Ohne das Verständnis und den Opfersinn
von Anna wären die vielfältigen
Aktivitäten ihres Mannes nicht
möglich gewesen ...
o Derweil F.Th. sich in zahlreichen
beruflichen Ehrenämtern engagierte,
hielt seine Ehefrau ihm zu Hause den
Rücken frei ...
o Mit sechs Kindern und Haushalt blieb
ihr nur wenig Zeit für ihre Hobbys,
doch die Aktivitäten ihres Mannes
unterstützte sie, wo sie konnte ...
Fazit und Ausblick
Solche und ähnliche Dominanzzuweisungen und Formulierungen, wie die hier
beschriebenen sind in späteren Zeitungsberichten kaum noch und in neuerer Zeit
gar nicht mehr festgestellt worden.
Journalisten und Zeitungsredaktionen stehen heute dem Alter aufmerksam und auch
aufgeschlossen gegenüber und haben die Position und auch die Bedeutung der
älteren Generation in unserer Gesellschaft zur Kenntnis genommen.
Das Alter hat sich, besonders im Laufe der zweiten Hälfte des des 20.
Jahrhunderts, gewandelt und ist immer noch in Bewegung.
Die Presse hat diese Wandlung nachvollzogen und spiegelt jetzt ein Altersbild
wider, das der Aktualität mehr und mehr angepasst ist und auch der Zukunft Raum
gibt.
Kommentare
Kommentar von Maja Pree |
Ich denke auch, dass die Darstellung der Generation der Älteren mit deren gestiegenem Selbstbewusstsein zusammenhängt. Früher schied man aus dem Arbeitsleben aus... Jetzt ist das Wissen der Senioren/innen gefragt. Sie sind immer noch aktiv. Leider ist es meist so, dass Männer, auch auf Grund ihres bisherigen Berufsweges, dominanter sind. Doch seien wir ehrlich, ohne die Frauen hätten sie diesen Weg auch nicht gehen können. Und jetzt sind es zunehmend auch die Frauen die ihre Netzwerke knüpfen und bis ins hohe Alter aktiv sind. Einen wesentlichen Grund sehe ich in ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit. In der Bereitschaft das erworbene Wissen und die Fähigkeiten weiterzugeben oder aber bis ins hohe Alter zu lernen. Und wir Frauen wirken oftmals im stillen, auch wenn wir über 50 % der Älteren ausmachen! :-)