Die industrielle Revolution
von Erna Subklew
Selten hat es einen so einschneidenden Wandel im Leben der Völker Europas und
Amerikas gegeben wie durch die Industrielle Revolution. Gemeinsam mit der davor
stattgefundenen Französischen Revolution hat sie die damaligen
Lebensverhältnisse verändert und Auswirkungen bis zum heutigen Tage.
Die Agrargesellschaft
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die meisten Gesellschaften in Europa agrarisch geprägt. Das bedeutete, dass der Großteil der Menschen auf dem Lande lebte und durch die Landwirtschaft, also der Bebauung des Bodens, seinen Unterhalt verdiente, meistens mehr schlecht als recht. Das Leben war durch die Bindung an die Tradition bestimmt. Sie gab die Regeln vor, nach denen man sich richtete, wollte man ein einigermaßen gesichertes Leben führen und nicht zum Außenseiter werden. Diese Bindung galt nicht nur auf dem Land zwischen Bauern und Knechten, Freien und Unfreien, sondern auch für die Stadt, in der die ständische Gesellschaftsordnung vorherrschte. Sie bestimmte, wer Bürger der Stadt wurde, wer Meister werden konnte oder heiraten durfte.
Der Bevölkerungszuwachs
Bis zum 18. Jahrhundert lebte knapp 75% der Bevölkerung auf dem Lande, 25% in
Orten bis 2000 Einwohnern und nur 3% in Städten.
Durch den Übergang von der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtfolgewirtschaft und
dem Beginn der Düngung stiegen die Erträge in der Landwirtschaft erheblich. Die
Bevölkerung konnte sich also besser ernähren. Gleichzeitig achtete man auf eine
gewisse Hygiene, sodass sich die Seuchen verringerten. Alles das hatte zur
Folge, dass die Säuglingssterblichkeit zurückging. Da die Geburtenanzahl aber
gleich blieb, stieg die Kinderzahl ständig an. Familien mit sechs Kindern waren
keine Seltenheit.
Die Zahl der Arbeitsmöglichkeiten auf dem Dorf war aber begrenzt. Sie nahm
durch die Ausweitung des persönlichen Eigentums, das anstelle des
Gemeinschaftseigentums trat, eher noch ab als zu.
Hungersnot

So kam es in den Jahren 1770, 1816 und 1847 zu großen Hungersnöten auf dem
Lande, die eine Landflucht auslösten. Viele Dorfbewohner versuchten ihr Glück
in der Stadt oder wanderten gleich ganz aus.
Da die Industrialisierung kaum begonnen hatte, gab es um 1800 in Deutschland
erst eine vergleichsweise geringe Zahl von 80 Tausend Fabrikarbeitern. Durch
die Ausbreitung der Industrialisierung waren es aber 1850 schon 800 Tausend und
1910 bereits 8 Millionen. 30% aller Arbeitenden waren in Fabriken beschäftigt.
Technik
Während es auf dem Lande den Arbeitskräfteüberschuss gab, wurde in den Städten
der Grundstein für die Industriezentren gelegt.
In England brachte die Erfindung des mechanischen Spinnrads, der „Spinning
Jenny“ und die Verbesserung des Webstuhls durch Transmission und den Antrieb
durch Dampfmaschinen eine enorme Ausweitung des Textilsektors. Die Erfindung
der Dampfmaschine durch James Watt hat ein für die damalige Zeit riesiges
Kräftereservoir geschaffen, wie es bis dahin unbekannt war. Gleichzeitig
erforderten diese Erfindungen einen vermehrten Rohstoffbedarf. Das Eisenerz
musste abgebaut und geschmolzen werden, dazu brauchte man Kohle. Für den
Transport der Rohstoffe und Fertigwaren brauchte man Transportwege und –mittel.
Jede neue Erfindung schuf auch neue Arbeitsplätze.
England und Deutschland
Während in England der Ausgangspunkt der Industriellen Revolution vor allem
durch die Erweiterung der Textilindustrie kam, war es in Deutschland vorwiegend
die Eisenbahn, die zum Ausgangspunkt wurde. Die Aufstände der Weber, die es
gleichwohl auch hier gab, schon allein durch den Verfall des Textilmarktes
hätten diese Veränderung nicht geschafft.
Der Staat und die private Wirtschaft förderten gemeinsam den Bau der Eisenbahn
in Deutschland.
1835 fuhr die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth. 1850 lagen bereits 6
Tausend Kilometer Schienen in der Erde.1873 waren es 20 Tausend Kilometer. Die
Transportkosten fielen in dieser Zeit auf ein Fünftel bis ein Sechstel der
bisherigen, was der weiteren Industrialisierung zugute kam.
Um 1850 fanden 110 Tausend Menschen einen Arbeitsplatz bei der Bahn; 14 Jahre
später waren es 300 Tausend und 1873 bereits 600 Tausend. Damals zahlte die
Bahn 3,5 Milliarden Mark an Löhnen an ihre Arbeitnehmer.
Weitere Neuerungen
Wie die Entstehung der Textilindustrie in England schuf der Bau der Eisenbahn
in Deutschland weitere Arbeitsplätze. Es folgte die Verwendung von Stahl
anstelle des Eisens. Eine wichtige Erfindung für die Eisenbahn war das von
Krupp hergestellte nahtlose Eisenbahnrad.
Durch den Einsatz des Thomas-Verfahrens bei der Verhüttung von phosphorhaltigem
Stahl konnten die Kosten für Stahl auf einen Bruchteil der bisherigen gesenkt
werden. Das steigerte die Erzeugung von Stahl um ein Vielfaches, sodass Ende
des 19. Jahrhunderts die Stahlerzeugung Deutschlands größer als die Englands
war.
Für die Aufbereitung von Erz und Kohle brauchte man Maschinen. Um diese zu
entwickeln, wurden die nötigen Lehranstalten gegründet. Dies führte wiederum
zum Ausbau des Maschinenbaus. Noch heute spielt der damals entwickelte Maschinenbau
für die Wirtschaft in Deutschland eine führende Rolle.
Das Leben der Arbeiter
Das Leben der Arbeiter in dieser Zeit war nicht leicht. Der Drang der
Landbevölkerung in die Städte führte zu großem Wohnungsmangel. So entstanden
die ersten Mietskasernen. Oftmals standen mehrere hintereinander und es
bildeten mehrere Hinterhöfe. In der Regel besaßen die Familien, auch mit
mehreren Kindern, nur einen Wohnraum. In Berlin gab es noch 1895 über 27
Tausend Wohnungen, die aus einem Zimmer bestanden, in dem mehr als sechs
Personen lebten.
Viele junge Männer konnten sich trotz ihrer Arbeit nur eine Schlafstelle
leisten. Das bedeutete, dass ein Bett nur für eine bestimmte Stundenzahl
gemietet wurde, oftmals in einer schon überbelegten Wohnung.
Kinderarbeit

Die heute verbotene Kinderarbeit war zu dieser Zeit etwas Selbstverständliches.
Sie dauerte im Sommer in der Regel zwölf Stunden und im Winter elf. Eine
Untersuchung von 715 arbeitenden Kindern im Jahre 1819 sagte aus, dass 455 von
ihnen etwas lesen konnten, 351 etwas schreiben, 234 etwas rechnen und 39
Religionskenntnisse besaßen.
Erst als man feststellte, dass immer weniger der einberufenen Rekruten für
einen Wehrdienst tauglich waren, weil sie durch die frühe Arbeit zu krank
waren, änderte sich das.
Für die Kinderarbeit wurden neue Regeln erlassen. So durfte kein Kind mehr
unter 10 Jahren beschäftigt werden. Alle mussten zunächst für drei Jahre die
Schule besucht haben. Auch durften die Kinder täglich nicht mehr als 10 Stunden
arbeiten, mit einer Unterbrechung von zwei Stunden, die sie nach Möglichkeit an
der frischen Luft beim Spiel verbringen sollten. 1853 wurde die
Beschäftigungsgrenze auf 12 Jahre heraufgesetzt.
Soziale Veränderungen
Um sich einen bestimmten guten Arbeiterstamm heranzuziehen, bauten viele Firmen für ihre Arbeiter Wohnungen. Diese waren meist von besserer Qualität und nicht so teuer wie die auf dem freien Markt. So hatte man einerseits gute Arbeiter, die auch längerfristig zur Verfügung standen und außerdem ein Druckmittel, denn wer schlecht arbeitete, musste die Wohnung verlassen. Die Firmen errichteten für die Arbeiterfrauen und ihre Töchter Haushalts- und Nähschulen. Krankenversicherungen und Rentenkassen (Knappschaft) wurden eingerichtet. Auch das half bei der Heranbildung einer Stammarbeiterschaft. Für die Kleinsten errichtete man „Kleinkinderbewahranstalten“. Oft waren drei Generationen beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt.
Gewerkschaften und Kirchen
Die von sozial denkenden Industriellen eingeführten Verbesserungen der
Lebensverhältnisse galten aber immer nur für einen Teil der Arbeiter. Um
generell eine Verbesserung der Lebenssituation zu erwirken, kam es zur Gründung
von Arbeitervereinen und zu Zusammenschlüssen der Vereine. Daraus entstanden die
Gewerkschaften. 1913 waren bereits 3,5 Millionen Arbeiter gewerkschaftlich
organisiert. Die Gewerkschaften standen der SPD nahe. Sie übernahmen es, mit
den Arbeitgebern über Forderungen der Arbeiter zu verhandeln.
Aber auch die Kirchen wandten sich gegen die unhaltbaren Zustände bei der
arbeitenden Bevölkerung. 1848 setzte sich Bischof E. Ketteler für die
Arbeiterschaft ein. Adolf Kolping gründete den Gesellenverein mit seinen
Kolpinghäusern. Bei den Protestanten waren es vor allem Heinrich Wichern und Pastor
Bodelschwingh, die sich um die Armen kümmerten.
Als Organisationen wurden von Seiten der Kirchen die Caritas und die Diakonie
gegründet.
Das Bürgertum
Als die Arbeiterschaft als neue soziale Schicht entstand, konnte man von einer
Vierklassengesellschaft sprechen, denn neben Adel und Bauern gab es noch das
Bürgertum. So genannte Akademiker wie Ärzte, Apotheker, Advokaten, Professoren
und Gelehrte bildeten die Honoratioren der Gesellschaft. Aus ihr rekrutierten
sich die Kinder, die die Gymnasien besuchten und später studierten. In dieser
sozialen Schicht war es üblich, dass diejenigen, die nicht studieren wollten
und nur bis zur 10. Klasse die Schule besuchten, durch das Absolvieren eines
einjährigen Militärdienstes trotzdem zur „besseren“ Gesellschaft zählten.
Durch die 1807 verkündete Gewerbefreiheit kamen durch Eigeninitiative und
Unternehmergeist auch Menschen, die ursprünglich nicht dem Bürgertum angehörten
in diese soziale Schicht hinein.
Gegenwart
Der Industriellen Revolution wird die Bedeutung zugemessen, die man dem Sesshaftwerden des Menschen gleichsetzt. Die vorangegangene Französische Revolution, die Befreiung der Bauern von Frondienst und Leibeigenschaft, die Freiheit der Wahl des Wohnorts und andere soziale Komponenten halfen mit, dass die Industrielle Revolution überhaupt möglich wurde. Wenn diese Änderungen sich auch zunächst eher negativ auf das Leben der damaligen Menschen auswirkten, führte die Industrielle Revolution letztlich zur modernen Gesellschaft. Sie wirkt bis in die Gegenwart hinein, denn auf ihr bauen wir heute noch unsere sozialen Forderungen auf.
Als Quellen
wurden benutzt:
http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/menschenrechte/kinderarbeit/kinderarbeit_in_europa.jsp
http://www.ghs-mh.de//comenius/projekt/indrev/ir_d_8.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Landwirtschaftliche_Revolution
http://www.klassenarbeiten.de/referate/geschichte/industriellerevolution/industriellerevolution_28.htm
http://geschichtsverein-koengen.de/IndRevolution.htm
Kommentare
Kommentar von Uwe Bartholl |
Danke, Erna, für die Beschreibung dieses großen Wendegeschehens. Und dieser Wendepunkt hat wiederum andere zur Folge: so die ausufernde Zerstörung der Umwelt bis hin zur Vernichtung unserer Existenzgrundlagen. Damit einhergehend der Verlust der Verantwortung, die Schöpfung zu bewahren. Gier hat Verantwortung abgelöst.